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Ein rotes T weist den Weg

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Die Sonne versinkt im Westen am Horizont. Vereinzelt schickt sie letzte kräftige Strahlen zwischen den teils schneebedeckten Berggipfeln hindurch, welche ein mystisches Licht in den tiefen Taleinschnitt vor uns werfen und helle Lichtkreise auf den See unter uns zeichnen. Fast könnte man meinen jemand leuchtet mit einer unglaublich großen Taschenlampe vom Himmel herab, so geradlinig und scharf sind die letzten Strahlen der untergehenden Sonne.

Trolltunga bei Sonnenuntergang
Trolltunga bei Sonnenuntergang

Um diesen einmaligen Moment genießen zu können lagen 11 km Wandern hinter uns, an den westlichen Ausläufern des Hochplateaus Hardangervidda im Fjordland von Norwegen.

Kurz hinter Odda, nach einem Tunnel, bogen wir mit dem Auto ab. Die schmale Straße schlängelte sich in unzähligen Serpentinen hoch nach Skjeggdal am Rande des Stausees Ringedalsvatnet gelegen, dem Ausgangspunkt der 22 km langen Wanderung zur Trolltunga (Trollzunge), einem Highlight unserer Norwegen-Reise.

Am späten Nachmittag ging es los, denn wir wollten die Trolltunga, einen Felsvorsprung, sowohl bei Sonnenuntergang, als auch Sonnenaufgang erleben.

Gleich zu Beginn von Skjeggdal aus hat man den schwersten Teil der Wanderung vor sich: man muss sich entscheiden ob man 400 Höhenmeter auf einem steilen Wanderpfad zurücklegt oder aber mehr als 2500 Holzstufen der stillgelegten Standseilbahn (Mageliban) erklimmt. Zuerst wandern wir auf dem Pfad, doch dann kam ich auf die Idee, wenn man schon hier ist, sollte man die einmalige Gelegenheit nutzen und die Holzstufen hinaufgehen. Es war eine mehr oder weniger große Schnapsidee denn auf der Strecke der stillgelegten Bergbahn sind wir schutzlos der unerbittlich brennenden Nachmittagssonne ausgesetzt und das Stahlseil, an dem man sich festhalten kann, schneidet in die Hände. Als wir schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit oben in Maglitopp ankommen suchen wir erstmal Schatten, trocknen unsere klitschnassen Shirts in der Sonne und tanken ausgiebig erfrischendes Wasser.

Auf den Stufen der alten Standseilbahn
Auf den Stufen der alten Standseilbahn

Regeneriert geht es weiter durch eine Ebene mit unzähligen kleinen Seen und zahlreichen Hütten, welche zwischen vereinzelten Birken stehen.
Bis Kilometer 4 wandern wir einen weiteren steilen Anstieg zu einem Bergsattel, immer dem gut sichtbaren roten „T“ folgend, empor. Oben angekommen verweilen wir in der Sonne und strecken uns lang, denn wir haben Zeit. Ende Juli geht in Norwegen die Sonne deutlich später unter als in Deutschland. Wir beobachten die anderen Wanderer, die sich auf ihrem Rückweg befinden. Keiner geht in unsere Richtung. Kein Vergleich zu den total überfüllten Preikestolen.

Die Streckenmitte wird durch eine Schutzhütte markiert, welche auch über zwei Betten verfügt. Hier liegt ein See und ein Bach plätschert vorbei an dessen kaltem Schmelzwasser wir uns kurz erfrischen bevor es weiter geht.

Wollgras wiegt sich sanft im Wind
Wollgras wiegt sich sanft im Wind

Kurz vor dem Ziel machen wir eine letzte Rast. Wir sitzen auf einer grünen Wiese, neben uns wiegt Wollgras sanft im Wind, wir lassen unseren Blick über schneebedeckte Gipfel schweifen und genießen diese wunderschöne Landschaft in unvergleichlicher Ruhe.

Gegen halb 9 erreichen wir die Trolltunga. Wir haben sie nur für uns. Im Licht der untergehenden Sonne wagen wir uns auf die steinerne Zunge. 350 m unter uns ruht der Stausee Ringedalsvatnet. Sonnenstrahlen scheinen zwischen den Berggipfeln hindurch und tauchen die Landschaft in rot-orangenes Licht. Wir können uns gar nicht sattsehen an der landschaftlichen Schönheit.

Mit dem Blick auf den am Horizont liegenden Gletscher Folgefonna essen wir eine Kleinigkeit, lassen die Seele und die Füße am Rande des Abhangs baumeln.

Die Aussicht genießen
Die Aussicht genießen

Mit der Sonne verschwindet auch die Hitze des Tages und wir ziehen unsere Jacken über. Aber auch dieser erste Hauch der anbrechenden Nacht kann die Stimmung an diesem magischen Ort nicht mindern, zumal wir uns ja in den Schlafsack kuscheln können.
Der Mond ist schon lange aufgegangen als wir der Landschaft „Gute Nacht“ sagen und die Augen schließen.

DER MORGEN

Um nichts zu verpassen klingelt der Wecker bereits um 05:30 Uhr. Erfrischende Morgenkühle schlägt uns entgegen. Die umliegenden Berge werfen ihre Schatten auf die Trolltunga und der Stausee liegt noch im Dunkeln. Wir drehen uns im Schlafsack nochmal um.

Um 07 Uhr frühstücken wir und verfolgen am Horizont kleine farbige Punkte, die sich in unsere Richtung bewegen: „der Ansturm“ auf die Trolltunga hat also begonnen.
Gegen 08 Uhr vernehmen wir die ersten Stimmen und setzen uns ebenfalls in Bewegung.

Mit 2 Deutschen und 3 Holländern machen wir Fotos um und auf der steinernen Trollzunge, unterhalten uns ausgiebig und sind alle der Meinung, dass die Trolltunga eines der Highlights in Norwegen ist.

Trolltunga Sonnenaufgang
Trolltunga bei Sonnenaufgang

Am späten Vormittag haben wir all unsere Sachen wieder verstaut und machen uns auf den Rückweg. Es ist nun deutlich voller und auf unserem Weg nach Skjeggdal kommen uns etliche Wanderer entgegen. Nicht wenige auch mit großem Rucksack und Zelt, so dass die kommende Nacht wohl etwas voller werden sollte an der Trolltunga.

Das Parken in Skjeggdal hat 200 NOK für 24 Std gekostet, die wir aber gerne für dieses einzigartige Naturschauspiel ausgegeben haben.

Die Wanderung zur Trolltunga war mit das Schönste, was wir in Norwegen erlebt haben und da man noch mit seiner eigenen Körperkraft das Ziel erreichen muss war dort deutlich weniger los als z.B. an den Preikestolen.

Verfolgen Thomas:

Die Natur hat mich schon immer interessiert. Unabhängig vom Alter verbrachte ich gerne Zeit draußen. Dies hat sich bis heute noch gesteigert denn ich übernachte gerne im Zelt in der Wildnis und versuche die Schönheit der Natur mit der Kamera einzufangen.

13 Responses

  1. doris
    | Antworten

    emotionaler text und wunderbare fotos lassen uns das highlight spüren …

  2. Axel
    | Antworten

    Der Teaser hat mich schon neugierig gemacht.Aber jetzt endlich richtig tolle Norwegen-Bilder.

    Thomas, weißt du zufällig ob es ein Rennen gibt dessen Strecke über die Stufen führt?

    Axel

    • Thomas
      | Antworten

      Mir ist es nicht bekannt, dass ein Rennen über die Stufen führt. Fände ich auch etwas heikel, da manche Stufen ganz schön marode sind bzw. sehr sehr schmal.
      Aber ich weiß, dass es ein Rennen eine Skisprungschanze hoch gibt (ist allerdings in Österreich bei Kulm) und ich habe auch im Kopf, dass es im Alpenraum einen Lauf parallel zu einer Bergbahn geben müsste (komme nur gerade nicht auf die Laufveranstaltung).

    • Thomas
      | Antworten

      So, ich habe Kontakt mit laufreport.de aufgenommen und Walter konnte mir sofort den „Treppenlauf“ nennen, den ich im Kopf hatte. Und zwar handelt es sich um den Niesenlauf in der Schweiz. Start auf 693 m und es geht bis 2362 m hoch. Über 11.600 Stufen warten auf die Teilnehmer. Weitere Infos findest Du unter: http://www.niesenlauf.ch

  3. Jörg
    | Antworten

    Das Foto von euch beiden ist so toll. Wer hat den Auslöser getätigt?

    • Thomas
      | Antworten

      Wir haben den Auslöser selbst mittels Funkfernauslöser gedrückt ;-)

  4. nico
    | Antworten

    Wiedermal tolle Bilder!
    Leider sind wir auf unserem Norwegentrip nicht an der Trolltunga vorbei gekommen. Allerdings waren wir ganz in der Nähe nur eben etwas weiter im Osten. Ende Juli haben wir dafür den Hårteigen besteigen können! ;)

  5. Erika
    | Antworten

    Phänomenale Bilder! Es ist spannend zu sehen, was andere Fotografen aus dieser unbeschreiblichen Landschaft machen. Mit der Nacht an der Trolltunga konnte bei uns glaube ich nur die Zeit auf den Lofoten mithalten – großartige Highlights.

    Viele Grüße,

    Erika
    ulligunde.com

    • Thomas
      | Antworten

      Hi Erika!

      Lofoten ist noch ein Traumziel von mir. Mal sehen wann ich die Lofoten erleben werde. Dein Bus-Aurora-Foto ist richtig klasse! :-)

      Aktuell stehen die Zeichen auf Weltreise und in ein paar Tagen geht’s los :-)

      Viele Grüße

      THOMAS

  6. Adrian Feistl
    | Antworten

    Cooler Bericht. Ich werde im Juli auf trolltunga gehen. Hast mit deinem Bericht noch mehr meine Vorfreude geweckt. Wir werden auch oben übernachten

    • Thomas
      | Antworten

      Hallo Adrian,

      freut mich, dass ich deine Vorfreude noch mehr wecken konnte.
      Kann sein, dass es dort oben voll wird, denn Norwegen wird immer beliebter.

      Viele Grüße

      Thomas

  7. André
    | Antworten

    Klasse! Liest sich super und macht Freude auf mehr!
    Sofern die Norweger ab Ende August wieder Touris ins Land lassen sollten, haben auch wir vor, zur Trolltunga zu wandern und dort zu übernachten.
    Zum fotografieren hätte ich noch zwei Fragen:
    Gelegentlich sieht man Fotos, auf denen die Zunge oberhalb der dahinterliegenden Bergkette zu sehen ist. D.h., der Fotograf muss etwas tiefer als bei den sonst üblichen Fotos gestanden haben. Gibt es dort eine Möglichkeit, etwas abzusteigen oder ist das irgendwie technisch gelöst?
    Wie weit ist man von der „Zungenspitze“ bis zu einem positionierten Stativ entfernt (?) – interessant bzgl. der Reichweite des Fernauslösers.

    VG
    André

    • Thomas
      | Antworten

      Hallo André,

      es ist zu lange her, dass wir auf der Trolltunga standen, weshalb ich mich nicht mehr konkret erinnere und somit leider Deine Fragen nicht beantworten kann.

      Viele Grüße
      Thomas

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